2014 Festzelt/ Marquee - Matthias Wyss

2020 Freispiel - Robin Byland

2014 In the thicket of being - Alice Henkes

2014 Caravan - Karoliine Elmer

2013 Interview - Fabian Gressly

2012 Ein persönlicher Zeichenzyklus - Bruna Bütler

2005 Der Löwe spricht - Francesco Micieli


"SUCHEN SIE NICHT DANACH, SEHEN SIE ES AUCH NICHT."

Fabian Gressly, Interview Kulturzeiger Solothurn, 2019

 

Ihre Arbeiten wirken wie aus einer Traumwelt. «Träumen» Sie, wenn Sie arbeiten?


Matthias Wyss: Beim Zeichnen selbst bin ich meistens gezwungen mitten in der Zeichnung in jeder Form auf eine nächste Form zu reagieren. Ich habe dann bereits gewisse Vorstellungen und Inhalte, die ich mir vorgenommen habe, als Stichworte im Hinterkopf aufgelistet. Dann versuche ich sie durch das Zeichnen auf dem Blatt innerhalb der Gesetzlichkeiten der Zeichnung zu einer möglichen Erzählform zu verbinden. Die entstehende Erzählung verlangt dann aus dem Machen heraus zum Beispiel nach einem weiteren Element in der Zeichnung. Anfängliche Inhalte müssen innerhalb der Erzählung der einzelnen Zeichnung neu erfunden oder verworfen werden. Ich sehe anfangs daher nie ein fertiges Bild vor meinen Augen. Wichtiger sind die oft unkonkreten Stimmungen oder Melodien vor der Zeichnung. Die Handlungen sind dann bereits Versuche, eine mögliche Form zu finden, sich diesen Stimmungen irgendwie anzunähern. Die langsam daraus wachsende eigene Bildsprache stellt dem Zeichner dann wiederum ganz bestimmte Fragen, die sich als nächste notwendige Schritte aufdrängen. Man hat eine Art roter Faden und versucht herauszufinden, was die momentanen Schwächen sind und wie es weiter gehen könnte.

 

Insbesondere Ihre Bleistiftzeichnungen weisen eine enorme Komplexität auf, sind vollgestopft von Szenen, Figuren und Geschichten. Sie sagen selbst, dass Sie in der Arbeit einer intuitiven Struktur folgen. Wenn Sie dann das fertige Werk sehen: Staunen Sie da selbst ab dem, was Sie hervorgebracht haben?


Wyss: Im Moment, wo ich das fertiggestellte Bild zur Seite lege, fallen mir Stellen auf, mit denen ich noch unzufrieden bin. Aber irgendwann merkt man auch, dass man nicht mehr weiter zeichnen sollte. Manchmal ist man auch positiv überrascht, aber auf jeden Fall ist die Zeichnung dann zu etwas anderem geworden, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich beginne dann lieber mit einem nächsten Blatt, als darüber zu reflektieren.

 

In Ihren Arbeiten zeigen Sie vieles. Sie selbst nennen es «Einblicke und Auszüge aus der Dichte und dem Chaos des psychischen Dschungels». In den Zeichnungen soll der Betrachter seine eigene Geschichte finden, doch Sie unterbreiten ihm auch viel.

Wie viel sind Sie bereit, in den Arbeiten von sich selbst preiszugeben?

 

Wyss: Bis jetzt habe ich jedes Mal schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich einer Person, die sich zum Beispiel für eine ganz bestimmte Zeichnung interessiert hatte, meinen persönlichen Zugang zu einem Bild erklärt habe. Es wirkte
auf die Leute enttäuschend. Es gibt neben den poetischen natürlich auch gewisse gesellschaftliche Themen, bei denen es mir durchaus ein Anliegen hätte sein können, wenn sie vielleicht wahrgenommen worden wären. Aber ich muss mich in diesem Punkt als jemand, der einfach Zeichnungen macht, glaube ich darauf einstellen, dass Leute, die von sich selbst aus auf ähnliche Themen sensibel reagieren, eine verborgene Kritik wahrnehmen können, weil sie danach suchen. Wenn sie nicht danach suchen, dann sehen sie es nicht. Ich müsste es sonst in einem unmissverständlichen Satz darauf ausschreiben, was nicht mehr interessant wäre.

 

Eine Ihrer enorm dichten Zeichenarbeiten, «Tripty-chon Arche Noa», misst fast 3 auf 2 Meter. Wissen Sie noch, wie lange sie an dieser Zeichnung gearbeitet haben?


Wyss: Die Arbeit entstand zu dritt mit Adrien Horni und Georges Blunier aus Biel. Zudem beteiligten sich unter anderem Gil Pellaton, Lukas Spilker und andere mit kleineren Bildteilen. Das ganze war eine Aktion für das «Turbomagazine» von Adrien Horni als Gruppenarbeit konzipiert. Wir haben zusammen vier Arbeitstage daran gezeichnet.

 

Haben Sie, ähnlich der berühmten Angst des Schriftstellers, «Angst vor dem weissen Blatt», also dass Sie keinen Einstieg finden?

 

Wyss: Ich habe eher den Hang dazu mich sehr zu verzetteln in zu umfangreichen Serien, wobei die Zeichnungen Gefahr laufen mechanisch zu werden. Das «Was zeichnen?» empfinde ich weniger wichtig auf der motivischen Ebene, als die Schwierigkeit herauszufinden: Was sind meine Inhalte? Und welche Formen verlangen diese Inhalte? Was dann im Zeichnen als schlussendliches Motiv sichtbar wird, ist dann bereits eine Sprache ausserhalb dieser Fragen geworden. Einer eigenen Bildsprache versuche ich mich durch Ausprobieren anzunähern.

 

Sie sind Anfang dieses Jahres gleich mit zwei Ausstellungen präsent. Das muten sich nicht viele zu...

 

Wyss: Zu sehen sind Arbeiten aus dem Zyklus Tageslicht. Da das Projekt viele Zeichnungen umfasst, ist in diesem Fall eine Verteilung der Arbeit auf ver-schiedene Orte möglich, aber ich finde auch, es ist zuviel. Ich freue mich wieder auf eine ruhigere Zeit im Atelier. In Aarau sind zudem erste Auszüge von neu entstandenen, malerischen Arbeiten zu sehen. Sie bilden erst den Anfang einer längerer Auseinandersetzung mit dieser neuen Technik.

 

In jüngerer Zeit sind sie von der Bleistiftzeichnung eher zur Malerei gekommen. Haben Sie die Grenzen des Zeichnens und der zeichnerischen Darstellung für sich selbst ausgelotet und brauchen Sie eine neue Herausforderung? Oder ist das Kapitel «Zeichnung» noch lange nicht abgeschlossen?

 

Wyss: Es ist genau wie Sie sagen. Die Gefahr war da, sich in dem Können innerhalb der eigenen zeichnerischen Fähigkeit zu wohl zu fühlen. Ich versuchte Reibung zu erzeugen durch neue Hindernisse einer unbekannten Technik und eines grösseren Formats. Sonst wären die Zeichnungen bald zu langweilig geworden. Es wird, hoffe ich, später wieder einmal ein Zeichnungszyklus geben.